Reisebericht Myanmar

von Norbert Hauser auf 18.06.2019

Abenteuer in Burma

Burma / Yangon Von Thailand her kommend, setzten wir sanft auf der glatten Piste, des vornehmen Flughafens von Yangon auf. Solche glatten Pisten sollten wir während unseres vierwöchigen Aufenthalts keine mehr unter die Räder der Busse, der Eisenbahn oder unter unsere Füsse bekommen. Ein eleganter Flughafen, der den Machthabern als Prestigeobjekt dient, während dem die Infrastruktur im Land am zerbröckeln ist.


Die Burmesen, so fällt uns sofort auf, sind ein wenig grober geschnitzt, als wie die Thais, bäurischer, aber auch ein ganz wenig herzlicher. Sie strahlen dich jederzeit an, wie wenn sie dies miteinander abgemacht hätten. Doch es kommt spontan. Sie sind ein liebenswertes, freundliches, lächelndes, fleissiges, diszipliniertes, zurückhaltendes, bis manchmal demütiges, ruhiges, unauffälliges Volk. Die Frauen sind zierlich und haben meist Körper wie Mädchen, ausgesprochen schlank. Auch die Männer sind sehr feingliedrig, und sie sind zäh. Männer wie Frauen tragen den Longyi anstelle einer Hose. Es ist ein Tuch, welches bis auf den Boden reicht, und am Bauch sehr einfach geknüpft wird. Vor allem die Frauen tragen ein Make up im Gesicht. Dies ist eine Paste, die aus einem Stück Holz auf einer Steinplatte zu einem Brei gerieben wird. Damit streichen sie ihre Backen ein. Auch färben sie damit schon mal das ganze Gesicht ein Auch das Essen war oft ein wenig bäurischer zubereitet als wie in Thailand. Bestellten wir in einem einfachen Restaurant Myanmar Food, so kam es schon vor, dass um unseren Reisteller herum zwölf kleine Schälchen standen, gefüllt mit verschiedenen Gemüsen, mit Chilli- und anderen scharfen Saucen. Weitere Bohnengerichte, Schweine- und Hühnerfleisch, Avocadosalat, Fischchen und Sojasprossen.

Myanmar und seine Desserts

Zum Dessert gab es oft wieder Reis gesüsst in verschiedenen Varianten, und dazu bestellten wir regelmässig Grüntee. Auf den Strassen rollte der Verkehr unglaublich diszipliniert. Da sahen wir keine Raser. Selbst Jugendliche auf ihren Töffs fuhren sehr anständig. Gehupt hingegen wurde ununterbrochen, doch keiner reagierte darauf. Ein Problem hingegen sind im Fernsehen die seichten südkoreanischen Filme, Soaps. Die Jugendlichen, so klagten die Leute oft, bekämen eine Welt vorgeflimmert, die für die Jungen unerreichbar und schädlich sei. Die Shwedagon Pagode Die Shwedagon Pagode riss uns dreimal in ihren Bann, vor allem am Abend im Schein hunderter Kerzen und der Scheinwerfer. Einmal verbrachten wir gar neun Stunden dort. Für uns einer der schönsten und eindrücklichsten religiösen Plätze dieser Welt. Ein Meer, dessen Wellen den Frieden an Land spülen. Das letzte Mal war es Sarnath in Indien – Buddha predigte dort zum ersten Mal – welches uns mit einer derartigen Vehemenz erfasste. So viele Gläubige treffen sich dort und alles läuft derart ruhig und selbstverständlich ab. Da erhielten wir unweigerlich eine Antwort auf einige unserer religiösen Fragen. Eisenbahnfahrt um Yangon Die Fahrt mit der Eisenbahn um die Stadt Yangon hingegen war vor allem spannend. Mussten wir doch, um ein Billet zu erhalten, unseren Pass aushändigen, aus dem alles abgeschrieben wurde und einen Dollar bezahlen, von dem sie sogar die Laufnummer auf ein Blatt übertrugen. Einmal mehr wollte der Staat jeden Schritt, den wir taten, minutiös genau überwachen. Die Einheimischen bezahlten im Gegensatz zu unserem Dollar, umgerechnet etwa einen Rappen. Die Zugskomposition ist ein Monster, noch aus der Kolonialzeit. Ein rostiger, kaputter, schwerfälliger Schüttelbecher. Die Schienen sind ein einziges Wellengebilde, dessen Schwellen mal fehlen, mal durchgefault und mal gar nicht als solche zu erkennen sind.

Die Küche Myanmars

Dementsprechend schnell, respektive langsam fuhr der Zug. Unterwegs stiegen wir mal da, mal dort aus, und fuhren mit dem nächsten Zug weiter, und erstaunlicherweise kam immer wieder einer. Auf allen Perrons hockten die Leute herum, assen, tranken, schliefen, kauften und verkauften. Ein junger Mann bot mehr oder weniger auf dem Boden eines Bahnhofs Nudeln mit verschiedenen Saucen und Beigaben an. Eine Frau bestellte. Er gab die Teigwaren auf einen Teller. Die Frau zeigte auf eine Sauce. Der Mann gab sie dazu und mischte alles mit seiner blossen Hand darunter. Die Frau wünschte sich noch diese und jene Beigabe, die der Verkäufer jedesmal wieder dazu gab und mit seinen Händen manschend unter die Nudeln wälzte. Der Frau schmeckt es, während dem ich leer schlucken musste. Wir fuhren weiter. Bei jeder Station stiegen Händler ein und aus und bewegten sich behende, vor allem schreiend durch die Leute. Einer verkaufte Wasser. Alle benützten sie den gleichen Becher, ohne dass er je gewaschen wurde. Wir waren den ganzen Tag die einzigen Touristen, dementsprechend wurden wir auch bestaunt und angesprochen. Jede unserer Bewegungen wurde registriert. „Where do you come from?“ Dies war immer die Einstiegsfrage, und sie wurde uns während der vier Wochen tagtäglich viele Male gestellt.

"Das Regime gibt nichts aus der Hand"

Die Leute lechzten nach Informationen aus dem Ausland. Wir kamen mit einem intellektuellen Yangoner ins Gespräch. Er wetterte mutig, in aller Lautstärke über das Regime. „Haben sie keine Angst, mit uns so offen zu reden?“ fragten wir ihn. „Ich bin schon tot. Soll das Regime mich doch holen. Sehen sie, alle Leute hier im Bahnwagen denken so wie ich, aber sie haben Angst, darüber zu reden. Und die Wahlen im Oktober werden nichts verändern. Das Regime gibt nichts aus der Hand.“ Während unserer Fahrt gab es keine vollen Wagen. Sie waren zwar voll, aber unzählige zwängten sich doch noch rein. War dann der Wagen wirklich berstend voll, drängten sie weiter rein oder hängten sich irgendwo draussen an den Zug. Und es funktionierte. Yangon – Kalaw Busfahrt Uns wurde ein komfortabler Bus empfohlen, daher auch der höhere Preis. Ich gab mir Mühe, doch das Komfortablere war nirgends zu erkennen. Dem Aussehen nach musste der Bus auch ein Produkt aus der Kolonialzeit sein. Alles lotterte, war rostig und funktionierte kaum mehr. In der brütenden Hitze – Aircondition stand zwar auf dem Bus – holperten wir aus der Stadt heraus. Bald schon, es war bereits dunkel, hiess es: „Alle aussteigen, Passkontrolle!“ Wir beiden waren die einzigen Touristen und mussten in ein spezielles Büro. „Was gibt es da zu schreiben?“ fragte ich mich.

Dreizehn Stunden

Der Kontrolleur blätterte in unseren Pässen und schrieb und schrieb. Der allgegenwärtige Staat „is watching you“. Mitten in der Nacht – die Fahrt dauerte dreizehn Stunden – mussten wir noch einmal aussteigen, noch einmal Passkontrolle. Ich konnte mir ein paar zynische Bemerkungen nicht verkneifen. Annemarie mahnte mich, dies zu unterlassen. Bei einer Raststätte hielt der Bus eine halbe Stunde. Etwa vier Stunden später hielt der Bus erneut. Der Fahrer und seine beiden Beifahrer stiegen aus, ohne ein Wort über die Bedeutung des Halts zu verlieren. Alle blieben sie ruhig im Bus sitzen. So geduldig ist dieses Volk. Nach einer Viertelstunde stieg ich auch aus und sah die drei in einem düsteren Restaurant sitzen bei Essen und Trinken. Nach einer halben Stunde stiegen sie mit ihren vollen Bäuchen und ich mit meiner leeren Blase wieder ein. Auf der nächtlichen Fahrt durchkreuzten wir ein riesiges Lichtermeer. Breite, vornehme Strassen, elegante Hotels, weite, breite, noch unbebaute Flächen. „Dies gibt unsere neue Hauptstadt“, meinte unsere Sitznachbarin. Einmal mehr liess die Regierung grüssen. „Was soll eine neue Hauptstadt, während dem das ganze Land in einem elenden Zustand da liegt?“ Für dieses weitere Prestigeobjekt schleudert die Regierung Millionen hinaus, und das Volk lebt in grosser Armut und meist mehr als bescheiden. Die Fahrt ging in die Berge. Der Zustand der Strasse lässt sich in Worten nicht beschreiben, das muss man erlebt haben. Unter Touristen sind die Strassenzustände immer ein viel diskutiertes Thema. Es sind oft gar keine Strassen im eigentlichen Sinn, sondern holprige, mit unzähligen Löchern durchsetzte Pisten, die durch eine fantastische Landschaft führen.

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1600 Metern über dem Meer

Der umgekippte Lastwagen versetzte daher auch niemand in Staunen. Im Gegenteil, wir waren erstaunt, dass nur einer umgekippt da lag. In tiefster und eisig kalter Nacht kamen wir in Kalaw an. Der Ort liegt auf 1600 Metern über Meer. (Wichtiger Ort im Buch: Herzen hören von Sendkehr) Eine Frau offerierte uns ein Zimmer und eine hervorragende Trekkingtour. „Liebe Frau, wir haben dies alles schon von Yangon aus organisiert. Wir schlafen im guesthouse „Golden Lily“. Dann fiel sie verbal über diese Lily her, und sie sollte recht haben. „Golden Lily“ – die Besitzerin hiess Lily – war alles andere als golden. Sie war eine geldgierige, unsympathische Inderin und das Zimmer war eine einzige Schande. Ein Bett, und sonst nichts. Nicht ein einziger Nagel in der Wand, um daran etwas aufzuhängen, kein weiteres Möbelstück. Der Spülkasten tropfte unaufhaltsam. Die Dusche funktionierte meist nicht, und der Wasserhahn spendete einen Teil seines Wassers dem Fussboden und das heisse Wasser liess sich nicht mehr abstellen, bis zwei Leute mit Hammer und Rohrschlüssel den Defekt repariert hatten. Den Schmutz will ich gar nicht erwähnen. Leute zogen aufgrund dieses Zustandes in das guesthouse gleich nebenan, wo sie aber auch alles im gleichen Zustand antrafen. Das karge Frühstück passte zum Haus. Einzig die Terrasse mit Blick über Kalaw war grossartig. Bettelmönche Am Morgen hörten wir von der Strasse her Glockengeläut. Ein junger, etwa zehn jähriger Mönch – Noviz – schlug mit einem Eisenstab ein rotierendes Metallstück an. Er kündete seine Gruppe an. Etwa fünfzig Meter dahinter folgten ihm zehn Mönche in Einerkolonne mit strammem Schritt und trotz der Kälte barfuss. Jeder hielt seinen Topf in der Hand. Frauen, durch das Geläut vorgewarnt, kamen aus ihren Häusern und brachten den Mönchen Reis. Bevor sie den Reis in die Töpfe gaben, zogen sie ihre Schuhe aus und stellten sich immer auf die rechte Seite der Mönche. Es war schlicht und einfach ergreifend. Eine Viertelstunde später wieder Glockengeläut, wieder zehn Mönche in Einerkolonne, wieder die selben Frauen, die Reis brachten. Es berührte uns tief, mit welcher Demut die Mönche diese Zeremonie beschritten und mit welcher Selbstverständlichkeit die Frauen den Reis in die Töpfe gaben. In Mandalay hielten uns jugendliche Bettelmönche um Geld an und an Ständen bettelten sie um Wassermelonen und Kaugummi. In Bagan begegneten uns zwanzig solcher Mönche in Einerkolonne.

Viele Stupas und Tempelchen

Sie gehören zum Stadtbild und werden von den Einheimischen kaum registriert, ausser von denen, die sie beschenken und sie schon einmal zu sich zum Essen einladen. Klosterbesuch Von der Terrasse aus erkannten wir weit oben auf einem Berg ein Kloster. Wir bestiegen ihn in sengender Hitze. Oben waren wir sehr erstaunt über die vielen Stupas und Tempelchen. Unser Herz pochte noch vom Aufstieg und der Schweiss floss uns den Rücken runter. „Jetzt ein Tee, das wäre gut.“ Dann, nachdem wir uns unter Buddhas Schutz gestellt hatten, hörten wir Stimmen aus einem Haus. Wir traten ein und ein Mönch winkte uns zu sich an den Tisch und schon blubberte heisser Tee in unsere Tassen. Üppiges Essen wurde aufgetragen. Immer wieder mussten wir nachschöpfen. Zum Dank gaben wir ihm einige tausend Kyats und wir sangen ihm zweistimmig ein Kirchenlied. Ein Strahlen und ein konzentrierter Blick legte sich über sein Gesicht. Dann sang er uns ein Lied vor und auch wir setzten noch einmal an. Darauf wurden uns Zigaretten und Betelblätter angeboten, die wir dankend ablehnten. Trekking: Kalaw – Inle Lake Um rechtzeitig wach zu sein, stellten wir den chinesischen Wecker, den wir uns auf dem Markt für 1000 Kyats – etwa einen Franken – gekauft hatten. Er ging zur gewünschten Zeit nicht ab. Weshalb war es ihm nicht ums Klingeln? Wir glaubten es nicht, die Zeiger liefen retour. Noch schlimmer, als wenn die Zeit still gestanden wäre. Dabei sind doch die Chinesen so strebsam auf ihrem Weg nach vorne.

Die Cheminéebank

Nun ziert er als absolute Rarität unsere Cheminéebank. Trotzdem. Wir starteten unsere Tour mit zwei Amerikanern, einem Australier und unserem Führer Rambo. Traumhafte Landschaften, unendlich viele Sandwege, Wasser-Reisfelder und Bergreisfelder, Tee an steilsten Abhängen, ausgetrocknete Äcker soweit unsere Augen reichten. Weitere Felder mit Koriander, Senf, Chinakohl, Linsen. Zehn Frauen in einer Reihe schwangen ihre Hacken und liessen sie auf die steinharte Erde nieder sausen. Eine trug ein Kind auf dem Rücken, welches den gleichen Rhythmus mitbekam. Nebenan probierten andere Kinder es ihren Eltern gleich zu tun. Ein Ochsenkarren, vollbepackt mit Körben voller Gemüse holperte über die zerfurchte Piste. Dann begegneten uns Frauen, die alle schwer beladen auf ihren Rücken und Köpfen die Waren vom weit entfernten Markt nach Hause schleppten. Mehrere Kilometer weit. Es fiel uns sowieso auf, wie oft Frauen die schwere Arbeit verrichteten, während dem die Männer den Ton angaben. Ich muss aber anfügen, dass die Frauen im ganzen Land gleichwertig behandelt werden. Kaum erreichten wir ein Dorf, riefen uns die Kinder lauthals ein „bye, bye“ entgegen und dieses „bye, bye“ begleitete uns, bis wir das Dorf wieder verlassen hatten. Alle winkten sie uns, Frauen, Kinder, Männer. Ihr Strahlen hiess uns herzlich willkommen. Ihre Häuser stehen alle auf Pfählen. Die Wände sind aus geflochtenen Bambusmatten. Als Bedachung tragen die Hütten eine Strohmütze oder ein Wellblech. Zum Teil sind die Unterkünfte sehr windschief. Wenige bauten ihre Häuser mit Backsteinwänden (zu teuer). Mit einfachsten Werkzeugen gingen sie an die Arbeit. Beim Bau eines solchen Hauses, sahen wir die ganze Verwandtschaft auf dem Gerüst herumturnen. Alle halfen sie einander. Unser Haus, in dem wir übernachteten, hatte einen Wohn- und einen Schlafraum. Wir schliefen auf ganz dünnen Matten und deckten unsere frierenden Körper mit Wolldecken zu. Einen Stock tiefer hörten wir das Schnaufen und Rumoren der Ochsen. Noch lange nicht alle Häuser haben Strom. Auch wir sassen im Schein der Kerzen. Im Dorf gab es einige kleine, erbärmliche Läden, die aber alle das genau gleiche Sortiment zum Kauf anboten.

Schweine, Hunde und Hühner

Da ist die Konkurrenz allgegenwärtig. Doch so denken nur wir. Sie sitzen den ganzen Tag da. Verkaufen sie etwas, ist es gut. Verkaufen sie nichts, ist es auch gut. Diese Haltung schlägt überall durch. Wie bewunderten wir diese Leute in ihrer grenzenlosen Geduld. Leute kehrten von ihren Feldern heim. Schweine tummelten sich, Hunde räkelten sich in der Sonne, Hühner gackerten um die Wette und Ochsen schauten uns erstaunt nach. Die meisten Dörfer, die wir durchquerten, waren sauber. War dafür der Chef des Dorfes verantwortlich? Alle drei Jahre wird so ein Dorfvorsteher neu gewählt. Demokratisch. In diesem Land, wo die Demokratie mit Füssen getreten wird. Und diese Füsse stecken in Militärstiefeln. Wir begegneten zwei Burmesen. Sie gingen den gleichen Weg wie wir. Sie hatten drei Plastiksäcke. Jeder dieser Säcke bewegte sich heftig und stiess lautes Gegrunze aus. Aus Öffnungen streckten drei kleine Schweine ihre Schnauze raus. Einer balancierte zwei dieser Schweinesäcke an einer Holzstange, die er über seine Schultern trug. Der andere trug den dritten Sack über seine Schulter. Sie hatten soeben die drei Schweine, für 30’000 Kyats das Stück, gekauft, was etwa dreissig Franken entspricht. Ein riesiger Betrag für so arme Bauern. Fünf Stunden betrug ihr Nachhauseweg. Nach einer Stunde, nachdem sie wesentlich schneller gelaufen waren als wir, trafen wir sie wieder kniend an der Bahnlinie, auf deren Schienen wir ein gutes Stück Weges gegangen waren. Sie waren untröstlich und beklagten den Tod eines ihrer Schweine. Stress? Ersticken? Herzschwäche? Was mag die Todesursache gewesen sein. Auf jeden Fall war dies ein herber Verlust für die zwei Bauern. Noch vier Stunden Weg hatten sie da vor sich.

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Die Nacht im Kloster

Die zweite Nacht schliefen wir in einem Kloster, nachdem uns Tange ein wunderbares Nachtessen auf offenem Feuer zubereitet hatte. Wir schliefen im Gebetsraum. Am Morgen wurden wir sehr früh durch die Gebete der jungen Mönche geweckt. Beim ersten Halt erquickte uns ein kleiner taubstummer Junge mit seinen Spässen. Immer wieder zeigte er mit seinem Finger zum Himmel rauf. Schaute man nach oben, hatte er sein grösstes Gaudi, denn da war natürlich nichts zu sehen. Vor den Pfefferminz-Bonbons, die Annemarie ihm angeboten hatte, rannte er davon und schrie aus Leibeskräften. Erst als sein Vater ihn eines Besseren belehren konnte, steckte er sich eines in den Mund. Da verlangte er dann noch mehr. Besonderes Vergnügen machte uns der Besuch einer Dorfschule. Fünf Klassen wurden in einem Raum unterrichtet, jede in eine andere Himmelsrichtung. Die Kleinsten waren an den Buchstaben. Zeigte die Lehrerin auf der Wandtafel einen an, schrieen sie ihn ohrenbetäubend in den Raum hinaus. Die dritte Klasse schrie noch lauter die Rechnungsresultate in den Raum. Trotzdem waren zwei weitere Klassen an der Stillarbeit. Die Klassen erkannte man an der Bankhöhe. Und eng sassen sie. Wo bei uns zwei gesessen wären, sassen da fünf Kinder auf einer Bank nebeneinander. Am dritten Tag entschied ich mich, meine Uhr abzuziehen. Warum eigentlich musste ich immer wissen, wie spät es ist. Und warum musste ich wissen, wie lange ich schon an diesem Tag gegangen war und wie viele Stunden ich noch vor mir hatte. Wichtiger war doch einfach zu gehen, ohne Zeitangabe. Einen Schritt vor den anderen zu setzen und den Schritt geniessen, den ich gerade tat. Warum sind denn die letzten Meter immer die härtesten? Nur weil ich weiss, wie lange ich noch gehen muss, gepaart mit der Ungeduld, weil ich noch nicht am Ziel angelangt bin. Wir gingen jeden Tag zwischen sieben und neun Stunden. Am Ziel Und dann, nachdem wir den letzten harten, ruppigen Teil des Weges zurückgelegt hatten, erreichten wir den Markt von Ithein und den gleichnamigen Fluss. Den Anblick des Flusses und seiner Umgebung werde ich nicht mehr vergessen. Wie im Paradies.

Three dollars each

Ein kleines, einfaches Stauwehr liess das Wasser anschwellen, so dass die Boote nicht auf Grund liefen. Paradiesisch ging es weiter. Wir setzten uns in eines der langen, schlanken Motorboote und mit lautem Geknatter sausten wir den Fluss runter, vorbei an Pagoden, Tempeln, badenden Wasserbüffeln, die ihre Besitzer an langen Seilen hielten, vorbei an ungezählten Pfahlbauten, unter Holz- und Bambusbrücken durch, vorbei an Leuten, die sich im Wasser stehend einseiften, bis wir dann den Inle Lake erreichten. Viele Reussenfischer und die bekannten Einbeinruderer, die mit der rechten Hand und dem rechten Fuss stehend die Ruder bewegten, belebten die einmalige Szene. Nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichten wir Nyaungshwe. Zuerst grüsste wieder der Staat. Kaum waren wir ausgestiegen, hiess es: „Three dollars each. It’s fort he goverment!“ Nyaungshwe Inle Lake Am Morgen stiegen wir wieder in ein gleiches Boot. Über den Inle Lake stachen wir in eine faszinierende Inselwelt. Alle Inseln waren grün bewachsen und sie ragten höchstens 50 Zentimeter aus dem Wasser. Manchmal waren sie nur einen Meter breit, dafür etwa hundert Meter lang. Darauf wurden direkt vom Boot aus, Blumen, Gemüse und Gewürze angebaut. Daneben stand Haus an Haus auf hohen Pfählen. Dazwischen Stupas und Tempel. Einige Produktionswerkstätten für Schmuck, Textilien, Raucherwaren oder Holzarbeiten standen auch auf unserem Tagesprogramm. In jeder dieser Werkstätten wurden wir freundlich empfangen und intensiv bearbeitet, um etwas zu kaufen. Wenn wir nur ein Auge oder einen Finger auf irgend einen Gegenstand richteten, sprang die Verkäuferin hoch und pries das Ding in gekonnter Manier an. Bei mir bewirkte dieses Anbieten eher das Gegenteil.

Inle Lake in Myanmar

Der Tag in dieser einzigartigen Inselwelt gehörte unbedingt zu unseren Tagen am Inle Lake. Tage in Nyaugshwe Im Dorf wollten wir uns Kissenüberzüge, so wie wir sie in unserem Hotel hatten, auf dem Markt kaufen. Die gab es aber nicht. Wir endeckten in einem Laden einen ähnlichen Stoff. Es war aber gar nicht so einfach, zu erklären, dass wir davon Stoff für vier Bezüge haben wollten. Doch mit holprigen Erklärungen und Gegenfragen wurde unser Wunsch verstanden. Zwischen Mandarinen und Tomaten, Pfannen und Gemüse und all den unzähligen Dingen, die auf dem Markt angeboten wurden, fanden wir eine Näherin, die aber schon gar nicht verstand, was wir genau wollten. Also ging ich zurück ins Hotel, zog dort den Bezug eines Kissens ab und nahm ihn mit. Der Näherin war dann mehr oder weniger klar, was wir wollten. Trotzdem holte sie von einem Stand nebenan einen Mann, der einigermassen Englisch konnte. Nach jedem Satz, den wir so übersetzen konnten, nickte und strahlte die Näherin mehr und mehr. Alles verstanden! Um sechzehn Uhr konnten wir die Bezüge holen. Die Arbeit kostete umgerechnet fünfzig Rappen pro Stück. Zusammen mit dem Stoff bezahlten wir für die vier Kissenbezüge acht Franken. Wir entdeckten eine kleine Bambusflechterei, in der Matten für Zimmer- und Hauswände geflochten wurden. Eine Frau winkte uns unter die Dächer. Alle Arbeiterinnen kauerten am Boden. Eine spaltete die Stangen. Eine zweite klopfte das Innenleben weich. Eine dritte hämmerte das Teilstück flach. Eine vierte schälte die langen Teile. Und die Arbeiterinnen fünf und sechs flochten kunstvoll, mit einem Muster, die Matte. Uns wurde ein Stuhl angeboten und wenig später wurde ein Tablett mit Tee und knusprigem Erbsengebäck her getragen. Eine reizende Frau erklärte uns alles. Die ganze Wand, an der sechs Arbeiterinnen einen halben Tag arbeiten, kostet 15‘000 Kyats, das sind rund fünfzehn Franken. Wenn man die Löhne und die Materialkosten abzog, blieb dem Chef noch eine erkleckliche Summe.

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Mandalay

Er verdiente in seiner Flechterei soviel, dass er sich ein währschaftes Steinhaus leisten konnte. Nyaungshwe – Mandalay Nichte Neues! Wieder mit einem katastrophalen Bus auf katastrophaler Strasse erreichten wir mitten in der Nacht Mandalay. Diese nichtssagende, chaotische Stadt wollten wir schnell wieder verlassen. Ein grausamer Verkehr und immerwährendes, lautes Hupen. Mitten in der Stadt eine Sandstrasse, völlig überladene Taxis und über der Stadt eine abgasgeschwängerte, Dunstglocke. Du wackelst über lose Steine, über Schotter, über offene Abwassergräben, über Löcher im Trottoir, mitten in Mandalay. Und dann geht einfach, wie so oft in Burma der Strom aus. Daher stehen überall in den Strasse Generatoren – im Privatbesitz –, die mit ihrem ohrenbetäubenden Lärm verkünden, wer für die nötige Energie sorgt. In dieser Beziehung gleicht eine Stadt der anderen. Sehenswürdigkeiten Wir besuchten noch die U-Bein Brücke, die besonders im Abendlicht wirkte. 1,2 Kilometer ist sie lang und alle Pfähle, sowie der Laufstag sind aus Teakholz. Annemarie war gerade am Lesen des Buches: Der Glaspalast vom Autor Ghosh Amitav. Da war der Besuch dieses Königspalastes ein absolutes Muss. Eine riesige, unvorstellbare Fläche nimmt diese Anlage, mitten in Mandalay ein. Sie ist von Wasser eingefasst. Ein weiteres Muss war für uns der Mahamuni Tempel. Taxis Verliess man einmal sein Hotel, und das galt für ganz Burma, wurde gefragt: „Do you need a taxi?“ „Where are you going?“ Und sassen wir mal in einem Tuk Tuk, wurden wir gefragt, was wir am Abend machten, ob wir den Sonnenuntergang sehen möchten und wie unsere Pläne für den nächsten Tag seien. Geschäftstüchtig waren sie. Konnte ein Taxifahrer mal nicht helfen, so hatte er bestimmt einen Bruder, einen Cousin oder eine guten Freund, der gerne bereit war, uns zu chauffieren. Jeder wollte, das war auch verständlich, ein Geschäft machen.

Mandalay - Bagan Schiffsfahrt

Hatten sie schon mal einen reichen Tourist an der Angel, so galt es, alles aus ihm herauszuholen. Wohlverstanden, immer mit dem nötigen Anstand und Respekt. Mandalay - Bagan Schiffsfahrt auf dem Irrawaddy (Dauer, im Normalfall fünfzehn Stunden) Diese Strecke entschieden wir uns, mit einem Slowboat zurückzulegen. Ein Slowboat ist zweistöckig und kann weit über hundert Personen transportieren. Über wacklige Bretter bestiegen wir mit unserem Gepäck am frühen Morgen um halb sechs das Schiff. Viele Burmesen hatten es sich auf dem Boden schon gemütlich eingerichtet. Auf ausgelegten Plastikbahnen oder Wolldecken wurde alles ausgebreitet: Küchen, Ess- und Schlafgelegenheiten in Einem. Wir, etwa zwanzig Touristen, setzten uns auf die Stühle und stellten unser Gepäck in eine Ecke. Eine Einheimische entpuppte sich als Händlerin, die auf dem Boden ihre ganze Ware ausbreitete. Dann verkündeten die Schiffsmotoren, dass die Fahrt begann. Der Irrawaddy führt zu dieser Jahreszeit sehr wenig Wasser. Er ist sehr breit. An vielen Stellen ist er weit über einen halben Kilometer breit, man glaubt auf einem See zu sein. Nach einer genauen Stunde ging ein Ruck durchs Schiff und es stand still. Es war auf die erste Sandbank aufgelaufen. Von da an hatte ich jede Menge Zeit, um die ganze Schiffsfahrt chronologisch genau, schriftlich festzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt lagen wir vor der fantastischen, bekannten Kulisse von Sageing. Ungezählte Tempel und Pagoden säumten den gegenüberliegenden Hang. Zwei Matrosen sprangen ins Wasser und rammten in etwa zwanzig Metern Entfernung mit Muskelkraft einen Pfahl schräg in den Boden. Einer balancierte mit Hilfe einer Stange auf dem Pfahl, so dass die Kraft des Schiffes ihn nicht aus dem Boden lösen konnte. Dieser Pfahl wirkte als Anker, an dem sich das Schiff selber hätte herausziehen können. Als lächerlichen Versuch mussten sich alle Passagiere in den hinteren Teil des Schiffs begeben, um den vorderen Teil, der auf der Sandbank lag, zu entlasten. Ohne Erfolg.

Die Burmesen

In dieser Zeit erklärte uns eine schwangere Burmesin, dass sie in einer Woche für umgerechnet zehn Franken im Spital ihr Kind zur Welt bringen werde. Eine Touristin malte Bilder, bei denen die Burmesen gerne Modell standen. In einem Raum hockte eine Gruppe Mönche, von denen der jüngste, ein Novize zehn Jahre alt war. Ein Italiener klagte uns, wie enttäuscht er über Burma sei. Nach zwei Stunden wurde die Arbeit mit dem Pfahl erfolglos abgebrochen. Weitere vier Stunden verstrichen. Alle Passagiere, bis auf den einen Italiener waren sie aber noch guter Dinge. Nach sechs Stunden stiess das Schiffshorn Hilferufe aus. „Tut Tut Tut Tut!“ Ein Schiff reagierte auf unser Zeichen, musste aber nach einer Stunde seine Hilfe abbrechen. Touristen begannen bereits mit dem Handy, über ihre Reiseagentur, Rettungsmöglichkeiten zu organisieren. Ein weiteres Schiff versuchte uns rauszuziehen. Es zog aber seitwärts, so stark, dass unser Schiff zu kentern drohte. Ein lauter, hundertfacher Schrei erschallte und alle sprangen sie rüber auf die andere Seite. Doch unser Schiff war frei. Die sechs Italiener hatten aber die Nase so voll, dass sie sich von einem anderen Schiff ans Ufer bringen liessen, von wo sie bereits einen Bus organisiert hatten, der sie nach Bagan bringen sollte. Zwei Stunden später steckte ein Expressschiff auf einer Sandbank fest. Nun lag das Helfen an uns. Der Rettungsversuch war nicht von Erfolg gekrönt. Im Gegenteil. Auch wir liefen wieder auf eine Sandbank auf. Alles verlief einmal mehr völlig ruhig, kein Unwort, kein Diskutieren, nichts. Wir steckten fest. Was soll‘s? Annemarie erhielt von einer Burmesin auf dem Deck eine Ganzkörpermassage, andere schliefen, assen oder plauderten in gemütlicher Runde. Annemarie lernte den jungen Mönchen das Spiel: Tik Tak Too. Die ganze Nacht sollten wir auf der Sandbank gefangen sein. Die meisten Touristen legten sich auf den nackten Boden und schliefen. Ich schlief, wenn man überhaupt von schlafen reden konnte, in einem Plasikstuhl sitzend. Die Nacht war klirrend kalt. Eine Gruppe Deutscher hatte sich mitten in der Nacht über ihre Agentur ein Boot an unser Schiff bestellt. Das ganze Gepäck wurde im Licht unzähliger Taschenlampen rüber gewechselt. Ein Deutscher sprang so ungeschickt rüber, dass er in voller Montur, mit Kamera in den Irrawaddy stürzte. Da wurde die Situation dramatisch.

Auf dem Schiff

Alles Gepäck wurde wieder auf unser Schiff geladen und die ganze Übung abgebrochen. Am Morgen dann, noch in aller Herrgottsfrühe spielten die Mönche wieder unser Tik Tak Too. Nach vierundzwanzig Stunden hatten wir lediglich drei Stunden Fahrt zurückgelegt und hätten schon längst in Bagan sein müssen. Dann beschlossen alle Touristen, ein Schiff zu bestellen, welches uns nach Bagan fahren sollte. Einundzwanzig Personen, mit all dem Gepäck, waren wir, die auf das Schiff rüber stiegen. Dabei war auch die schwangere Frau. Hundert Dollar sollte die Fahrt kosten, so war es mit dem Bootsfahrer abgemacht. Nach zehn Minuten legte er an einem steilen Ufer an und erklärte uns, dass er nur für zweihundert Dollar bereit sei, weiterzufahren. Dort wechselten sie auch den Fahrer, dass der Neue nicht mehr an die mündliche Abmachung gebunden war. Entrüstet über dieses schmutzige Verhalten waren sechzehn Leute bereit, diesen Preis zu bezahlen. Fünf Leute, darunter auch Annemarie und ich, waren nicht bereit auf diesen Handel einzugehen. Wir wurden wieder zurück auf das Slowboat gebracht. Später erfuhren wir, dass die anderen für siebzig Dollar bei der nächsten Anlegestelle abgesetzt wurden. Inzwischen steckte unser Slowboat bereits seit neunzehn Stunden fest, und wir wussten nicht wie weiter. Auf weitere Notsignale rückte ein starker Schlepper an und zog uns nach mehrmaligen Versuchen von der Sandbank. Wir setzten die Fahrt fort. Für wie lange? Das war die bange Frage. Ich kann die Antwort gleich vorwegnehmen. Für genau fünfundvierzig Minuten. Wir steckten wieder fest. Da wurde ich doch ein bisschen ungeduldig. Ich packte den Kapitän am Arm und verlangte von ihm nichts anderes, als eine klare Antwort. „Ich will nur wissen, ob wir mit diesem Schiff überhaupt je nach Bagan kommen?“ Denn der Kapitän hatte seit unserer Abfahrt in Mandalay die Passagiere noch kein einziges Mal über die prekäre Situation informiert. Für Burmesen ist das anscheinend kein Problem, aber wir fünf übriggebliebenen Touristen hatten doch ein Recht auf eine angemessene Auskunft. Nach hilflosen, unverständlichen Worten des Kapitäns liess ich ihn wieder los.

Auf der Fahrradrikscha

Ich probierte auch burmesisch zu reagieren und sagte mir: „Was soll’s? Irgendwie wird es schon weiter gehen. Und es ging weiter. Wir riefen nach einem vorbeifahrenden Schiff und vereinbarten mit seinem Kapitän, dass er uns fünf für 10‘000 Kyats wieder zurück nach Sagaing bringt. Dort bestiegen wir zu fünft den erstbesten Tuk Tuk, der völlig überladen uns zurück nach Mandalay fuhr. Zweiundvierzig Stunden nach unserer Abfahrt von Mandalay waren wir wieder am Ausgangspunkt. Mit viel Glück erreichten wir noch rechtzeitig den Bus nach Bagan, und um Mitternacht kamen wir nach einer weiteren verwegenen Busfahrt dort an. Mit der Fahrradrikscha fuhren wir ins Hotel Maykhalar. Bagan Am darauffolgenden Tag setzten wir, aufgrund unserer letzten stürmischen Nächte, einen Freitag an. Wir gingen zum Coiffeur. Dies sprach sich auf dem Markt schnell herum. Alle wollten dies sehen und die Kinder fanden dies so lustig, dass sie sich vom Lachen kaum erholen konnten. Er schnitt gut, auch meinen Bart und verlangte dann pro Haarschnitt einen Franken. Dementsprechend hoch setzten wir unser Trinkgeld an. Wir besuchten das Mon tie gu Kloster. Schon auf der Treppe nach oben rannten uns fünf Kinder nach. „Hallo, hallo, hallo!“ Ihre Mutter fand das lustig, wir weniger. Im Tempel, selbst unter Buddhas schützender Hand riefen sie: „Pagoda, Pagoda!“ Wir wünschten nur Ruhe. Alles nützte nichts. Dann wurde ihre Wortwahl deutlicher: „Money, Money!“ Nein, so nicht. Diese Form Tourismus konnten wir nicht unterstützen. Einer rannte uns noch rufend die ganze Treppe nach unten nach. Leider sind die Bettler und Händler in Bagan eine derartige, hartnäckige Plage, dass schon mancher Tourist handgreiflich wurde oder verbal entgleiste.

Die unzähligen Buddha- Statuen

Bei der Shwezigon Pagode überholte uns ein kleiner Pick up. Bei uns in der Schweiz wären da auf der Ladebrücke, wenn überhaupt, acht Personen erlaubt. Jener Pick up transportierte zweiundvierzig Leute. Auf der Ladebrücke sassen sie wie Sardinen und auf dem Dach sassen sie in vier Reihen zu je acht Personen. Auf einem anderen Lastwägelchen standen die Leute auf der Ladebrücke, um so mehr Personen befördern zu können. Für uns lebensgefährlich, für sie normal. Für unseren kulturellen Tag mieteten wir eine Pferdekutsche. So fuhren wir den südlichen Teil der Tempel und Pagoden ab. Tempel, soweit unser Auge reichte. 2230 sollen es sein. Wir zweifelten keinen Moment an dieser Zahl. 10‘000e von Buddha-Statuen, mal zehn Meter hohe, dann winzig kleine. Dann Hunderte gemalt an Decken und Wänden. Dazwischen, wie schon erwähnt, die Bettler und Händler. Einige stellten sich uns in den Weg. Andere verfolgten uns auf Schritt und Tritt. Andere versuchten uns verzweifelt am Tempel zu erklären, was uns schon klar war. Für eine Handbewegung in Richtung Buddha, glaubten sie schon, sich als Reiseführer einen Geldschein verdient zu haben. Wimmelten wir sie ab, stand schon der nächste da. Ich ärgerte mich masslos. Doch die ganze Sache nagte auch an meinem Gewissen. Sie tun es, in der Hoffnung sich ein paar Kyats zu verdienen. Und die Leute haben ja wirklich nichts. Die Händler, die vor den meisten Tempeln ihre Stände aufgebaut hatten, verkauften alle das selbe. In hundertfacher Ausführung wurde es uns angeboten. T-Shirts, die sie dir als „Tischer“ anpriesen, weil sie die letzten Silben nie aussprechen. Am Morgen, am Mittag, am Abend und am nächsten Tag wieder. „Tischer, Tischer, Tischer!“ Und ich antwortete: „No, thank you!“ Auf diese drei Wörter gingen sie aber nie ein. Sie riefen weiter: „Tischer, Tischer, Tischer!“ Unser Kutscher verlangte für den ganzen Tag 12‘000 Kyats, das sind zwölf Franken. Zwei davon bekam er als Lohn und die anderen zehn musste er dem Besitzer der Kutsche abgeben.

Trinkgeld, ja, aber wie viel?

Trotz dieser unliebsamen Erscheinungen fuhren wir am übernächsten Tag mit einer Fahrrad-Rikscha den nördlichen Teil der Anlagen ab. Der Pedaleur hatte an seinem Fahrrad ein Gestell auf einem dritten Rad angebaut, auf dem der eine Beifahrer vorwärts, der andere rückwärts fährt. Der Fahrer leistete Schwerstarbeit. Wir sassen daneben mit dem vollen Geldbeutel am rechten Hinternbacken. Seiner war leer. Er bat mich unterwegs um 500 Kyats, etwa fünfzig Rappen, um eine kleine Fahrradreparatur bezahlen zu können. Er verlangte für den Tag umgerechnet sieben Franken, wovon er sechs davon dem Besitzer der Rikscha abliefern musste. Da wurde mein Gewissen in leichte, unliebsame Schwingungen versetzt, und ich bekam schon ein ungutes Gefühl, obwohl wir ihm zu einer, für jene Verhältnisse angemessenen Tageseinnahme verhalfen und mit dem Trinkgeld nicht geizten. „Warum kann ich mir das alles problemlos leisten, warum der Rikschafahrer nicht?“ In ihrer grenzenlosen Bescheidenheit nehmen sie dies einfach hin. Ohne Wenn und Aber. Bei ihm spürte ich noch mehr. Er strahlte sogar und hatte jederzeit ein Lächeln für uns übrig. So war unser Rikschaboy. So waren sie im Laden, auf der Strasse, in Mandalay, in Yangon, in ganz Burma. Dann waren da noch ungezählte weitere Begegnungen mit ganz lieben Leuten. Ungezählte solcher Eindrücke. Ich kann dies nicht in Worte fassen. Irgendwo da drinnen sind sie festgehalten. Wir nahmen sie mit als Erinnerungen. Sie sind wie Pinselstriche, wie Farbtupfer auf unserem burmesischen Bild festgehalten. Waren die Anlagen vom ersten Tag vor allem wuchtig und aussen sehr interessant, so zeigten die zweiten eine unglaubliche Fülle und Reichtum im Innern. Auch hier reichen Worte nicht, um ihre Schönheit zu beschreiben. Wir waren überwältigt.

Ngapali am Meer

Ngapali Wir räumten uns noch wenige Tage in Ngapali, am Meer ein. Mit dem Bus wollten wir keine weitere Fahrt mehr wagen, so entschlossen wir kurzerhand dahin zu fliegen. Ein Palmenstrand, wie ich ihn von Werbeplakaten her kannte. Unbegrenzte Schönheit, Freiheit und Abenteuer. Am Morgen um sieben kamen sie zurück, die Fischer. Im knietiefen Wasser holten die Frauen die Körbe von den Schiffen an Land. Dort wurde genau schriftlich festgehalten, wie viel gefangen wurde. Auf grossen, engmaschigen Netzen wurden die kleinen Fischchen dann zum Trocknen ausgelegt. Alles lief, wie so vieles in Myanmar wortlos ab, fast meditativ, friedlich. Daneben spielten einige Kinder Fussball. Mütter und Kleinkinder sassen daneben und beobachteten wie wir, was da so alles geschah. 78 Jahre alt sei sie. Mit ihren knöchrigen Fingern hatte sie es uns angedeutet. Mager war sie, kaum vierzig Kilo. In ihrem Mund war kein Zahn mehr. Unser Mütterchen wohnte gleich nebenan. Jeden Tag hatte sie Müschelchen für Halsketten gesammelt. Annemarie gesellte sich eines Morgens zu ihr und half ihr beim Sammeln. Dann brachte sie uns Bananen an unsere Liege. Am nächsten Tag brachte sie einen grossen Bund Bananen, und am darauffolgenden Tag erfreute sie uns mit einem grossen Glas Kokosmilch. Wir konnten uns kaum verständigen, aber wir spürten, dass sie uns mochte. Annemarie schenkte ihr eine Seife und ein Büchslein Pfefferminz Bonbons, die sie zuerst kritisch mit ihrer Zunge betastete. Sie schmeckten ihr. Dann stand sie auf und ging, wie schon an den Tagen zuvor, stillschweigend auf ihre Hütte zu. Auch dort am Strand spielte Annemarie mit zwei Mädchen, die den ganzen Tag den Schmuckstand ihrer Mutter hüten mussten, Tik Tak Too. Weil die Familie das nötige Schulgeld nicht aufbringen konnte, darf das ältere der beiden Kinder die Schule nicht besuchen. Für das jüngere hoffen die Eltern eine Lösung zu finden. In der Nacht besuchte uns zweimal eine Ratte. Als ich sie im Schein meiner Taschenlampe im Loch verschwinden sah, verstopfte ich dasselbe mit dem hoteleigenen Handtuch. Am Morgen war ein riesiges Loch heraus gefressen, dass sie es fortwerfen mussten. Am nächsten Morgen war ein Stück unseres Rucksacks angefressen.

Die Passkontrolle

Ngapali - Yangon Wie gerne wären wir diese Strecke auch geflogen, doch am Wochenende war der Flugbetrieb eingestellt. Also einmal mehr ein unliebsamer Trip in so einem klapprigen Vehikel. Zwanzig Stunden sollte die Fahrt dauern und sie wurde zu einer Tortur, denn dies war die brutalste Strecke von allen. Schon am Busbahnhof mussten wir den Pass abgeben. Er wurde kopiert. Auch hier wollte der Machtapparat wieder wissen, wohin Hausers denn wollten. Dann, nach zwei Stunden Fahrt nächste Passkontrolle. Alle aus dem Buss und die Dokumente wurden geprüft und eingesammelt. Unsere nicht. Doch uns rief so ein übereifriger Soldat vor die versammelte Busgemeinde und fragte uns lautstark, um sich wichtig zu machen, in seinem kaum verständlichen Englisch, mit militärischem Ton, woher wir kämen, wohin wir wollten, warum wir in Burma seien und ob uns das Land gefallen habe. Dann rief er alle Mitfahrer einzeln auf, und sie durften wieder in den Bus steigen. Stunden später erlebten wir wieder eine Passkontrolle und alle Passagiere wurden wieder einzeln zum Einsteigen aufgerufen. Dann folgten noch zwei fliegende Passkontrollen, bei denen der Chauffeur nur die Passagierliste vorweisen musste. Bei der letzten Kontrolle in Yangon erhielt dann jeder seinen Pass wieder zurück. Nicht ein einziges Mal hörten wir irgend jemand klagen. Die Leute ertragen solche Schikanen, wie wenn nichts wäre. Noch schlimmer als wie diese Kontrollen war für uns zwei die verwegene Busfahrt. Am darauffolgenden Tag verliessen wir Yangon in Richtung Bangkok. Das Geld In Burma existieren zwei Geldkreisläufe. Der eine ist der mit den US Dollars und den Euros, der andere der mit den Kyats. Dollars mussten wir in den meisten Hotels, beim Inlandflug, bei den Bussen, bei den Taxen für die Besuche von Sehenswürdigkeiten, bei der Bahn und beim Schiffsverkehr bezahlen. Diese Beträge fliessen in den Staatsapparat, in die Geldbeutel der Machthaber.

Die Kyats

Devisen. Bezahlten wir, so wurde der Schein von vorne und hinten begutachtet. Hatte er das kleinste Risschen, oder war er auch nur einmal gefaltet, so wurde er nicht angenommen. Die Kyats, das Geld des Volkes hingegen ist eine Zumutung, eine Schweinerei. Zerrissen, zerfetzt, zerbröckelt, schmutzig, fettig wechselt das Geld den Besitzer. Oft haben mich die Noten angeekelt. Es ist das Geld des Volkes, und den Machthabern ist es völlig egal, wie die Leute auf der Strasse damit zurecht kommen. Mehr als einmal sahen wir an Verkaufsständen Leute, die mit durchsichtigen Klebstreifen die unappetitlichen Fetzen wieder zusammenklebten. Die politische Situation Ich habe während den achtundzwanzig Tagen, die wir in Burma bleiben durften, mich mit mehreren Leuten über die Politik unterhalten. Immer erhielten wir die gleiche Antwort. Das Volk hat jedes Vertrauen in die Regierung verloren. Keiner glaubt an eine Änderung der Situation, auch nicht bei den nächsten Wahlen. Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin, soll ja erst einen Monat nach den Wahlen aus ihrem schon seit vierzehn Jahren andauerndem Hausarrest entlassen werden. Das heisst, dass sie als Hoffnungsträgerin des Volkes, nicht an den Wahlen teilnehmen darf. Die letzten Wahlen hatte sie deutlich gewonnen, doch die Machthaber setzten sie weiter unter Hausarrest. Als Achse des Bösen nannten die Leute China, Nordkorea und Burma. Auch ich bin zur Überzeugung gekommen, dass dieses korrupte, menschenverachtende Regime nichts von ihren Privilegien und ihrer Macht abgeben wird. Und doch wünsche ich diesem Volk, welches in seiner Freundlichkeit nicht zu überbieten ist, trotz allem eine Zukunft in Freiheit. Auch in diesem Fall muss die Hoffnung das letzte sein, das stirbt. Norbert Hauser, Wolfgangstrasse 68, CH-9014 St. Gallenanno.hauser@bluewin.ch

Na, hat dich das Fernweh gepackt? Hier findest du bestimmt einen Myanmar Reisepartner.

Norbert Hauser

JoinMyTrip Tripleader

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